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Italienische Familie

Auswandern nach Italien

Wenn man so gemütlich am Strand bei einem Glas Wein sitzt und in den Sonnenuntergang blickt, stellen sich nicht wenige die Frage: Warum lebe ich eigentlich immer noch wo anders? Und so entsteht die Idee, nach Italien auszuwandern.

So nah, so fern.

Wenn man oft in Italien ist, stellt sich - abgesehen von der Sympathie zu diesem so schönen Land - sehr schnell eine gewisse Vertrautheit ein, die man aber keinesfalls verwechseln sollte mit der Kenntnis eines Landes. Andere Länder, andere Sitten, heißt es nicht von ungefähr. Das trifft natürlich auch für Italien zu, in unendlich vielen Details (wie z.B. auch der Spiegel zu berichten weiss).

Codice fiscale.

Was Sie als allererstes brauchen, wenn Sie in Italien auch nur überhaupt irgendetwas machen wollen, ist der sog. Codice fiscale. Das ist die Steuernummer, die jeder Italiener quasi schon vor seiner Geburt erhält. Es gibt wenige Dinge in Italien, die man so schnell und unkompliziert erhält wie den Codice fiscale. Es gibt ihn beim Ufficio delle Imposte, und man braucht ihn für so ziemlich alles (Telefon, Wohnung mieten oder Haus kaufen, etc.). Logisch, man muss nicht in Italien leben, um den Codice fiscale zu bekommen. Jeder kriegt ihn, der ihn will bzw. haben muss.

Aufenthaltsgenehmigung?

Es kann durchaus passieren, dass Sie eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen (die Carta Verde). Eigentlich sollte man die seit 1968 nicht mehr brauchen, da Italien die entsprechenden Abkommen ratifiziert hat, aber offenbar hat sich dies noch nicht überall herumgesprochen. Und so könnte es sein, dass man einen Tag auf dem Einwohnermeldeamt verbringt, in einer langen langen Schlange...

In jedem Fall sollte man Paßbilder und die üblichen Dokumente dabei haben.

Sprache ist der Schlüssel.

Die beste Investition, die man ins Auswandern machen kann, ist vorher Italienisch zu lernen. Auswandern nach Italien ist schon kompliziert genug, doch ohne Sprachkenntnisse wird das nichts werden.

Ein guter Tipp dazu, wenn Sie italienisch lernen wollen: Legen Sie die Italienisch-Lektionen _nicht_ unter das Kopfkissen, sondern am besten auf's Klo (und schmeissen dafür die Gala raus). Weil die Toilette der Ort ist, den man am regelmäßigsten frequentiert, studiert man dort auch regelmäßig. Denn: Repetitio est mater studiorum.

Dies ist ein Tipp und kein Witz - funktioniert bestens (selbst ausprobiert).

Das Land des kleinen Dienstwegs.

Normalerweise, wenn irgendetwas ansteht, z.B. ein Rohrbruch oder Reparaturen, schaut man in Deutschland in die Gelben Seiten. In Italien hingegen geht man in seine Stammbar und fragt den Wirt. Überhaupt ist es gut, sich so schnell wie möglich eine Stammbar zu suchen und zu frequentieren, denn kommunikationstechnisch tickt Italien in dieser Hinsicht anders.

Sie gehen also in die Bar und fragen den Wirt, ob er jemanden kennt, der dies oder jenes kann, und es wird ihm eine Freude sein, Ihnen jemanden zu empfehlen.

Dieser Aspekt berührt einen fundamentalen mentalen Unterschied zwischen Deutschen und Italienern. Italiener sind prinzipiell aufgeschlossen, freundlich, und man findet sehr schnell Kontakt. Dies ist aber nicht zu verwechseln mit "echter" Freundschaft, eher ist es eine sehr gute Bekanntschaft. Der Grund dafür liegt hierin, dass in Italien so ziemlich alles über Beziehungen läuft und nicht über die Gelben Seiten. Der Freund eines Freundes hat einen Freund, der wiederum einen Freund kennt, der genau das hat, was Du brauchst. Und weil man nie weiß, wann man vielleicht etwas brauchen wird und von wem, ist der Italiener zuerst einmal freundlich. Denn es könnte ja sein, Geben und Nehmen, dass man von ihm mal etwas brauchen könnte, oder er von Dir.

Sobald Sie also eine Wohnung in Italien haben, gehen Sie als erstes in die nächste Bar und machen Ihr Entrée.

Was Du schwarz auf weiß besitzt, kannst Du getrost nach Hause tragen.

Wenn Sie in Italien zur Bank gehen, dann gehen Sie nicht einfach in die Bank hinein. Sondern in der Regel passieren Sie eine Ein-Personen-Schleuse, wo sie durchleuchtet werden. Sollten Sie mehrere Handys bei sich haben, empfiehlt es sich, diese in den Schließfächern vor der Schleuse zu deponieren. Dann gehen Sie nochmals durch und haben es schon mal fast bis zum Schalter geschafft.

Sie wollen einen Kontoauszug. Nächste Überraschung: Es gibt keine Kontoauszugsdrucker. Also stellen Sie sich am Schalter an. (Falls gerade Zahltag ist, rechnen Sie damit, dass die Schlange sehr lang sein kann). Wenn Sie die Person am Schalter nach einem Kontoauszug fragen, wird er zu seinem PC gehen, einen Bogen Papier in den Drucker legen, und Ihnen Ihr Estratto conto ausdrucken.

Besuch vom Amt.

Wenn Sie eine Wohnung gefunden haben, stellen Sie sich darauf ein, Besuch von der Polizei zu bekommen, selbst wenn Sie gar nichts angestellt haben. (Das gilt in jedem Fall für die Provinz Veneto). Würde mich aber wundern, wenn es in den anderen Provinzen anders wäre.

Da kommt dann ein Maresciallo (Marschall) von der Comune, um sich davon zu überzeugen, ob auch wirklich so viele Leute in dem Haus/Wohnung leben, wie Sie angegeben haben. Das alles dient der Berechnung der Müllgebühren, die pro Nase berechnet werden.

Mit den Müllgebühren ist nicht zu spaßen. Das erkennt man u.A. auch daran, dass viele Italiener tatsächlich sehr bestrebt sind, Müllsäcke in alle möglichen Mülltonnen zu werfen - bloß nicht in ihre eigene.

Geld verdienen womit?

Natürlich hat man als Deutschsprachige(r) nicht die schlechtesten Chancen auf Arbeit in Branchen wie z.B. der Hotellerie. Aber dabei darf nicht vergessen werden, dass die in Italien gezahlten Gehälter deutlich niedriger sind als nördlich der Alpen.

Gerade was die Besteuerung anbetrifft ist Italien von Deutschland sehr verschieden. Prinzipiell betrachtet jeder Italiener den Staat als Feind, weil er sich ständig von ihm betrogen fühlt.

Nun geht der italienische Staat davon aus, dass jeder einen guten Teil seines Einkommens ohnehin schwarz hinzuverdient (fuori busta). Und hat dementsprechend kein Problem, 50+% Steuern zu verlangen. Wenn man nun als braver Teutone daherkommt und alles wahrheitsgetreu angibt, kann es passieren, dass der Steuerbescheid für Sie überraschend ausfallen wird. Natürlich wollen wir hier niemanden zu irgendwelchen Kapriolen abseits der Steuerlegalität ermuntern, doch in jedem Fall empfehlenswert ist die Konsultation eines Comercialista bzw. Steuerberaters.

Eh, Dottore?

Wenn bei der letzten Torta di Mandorla eine Zahnplombe auf der Strecke geblieben ist, bleibt einem nichts anders übrig, als einen Zahnarzt aufzusuchen. Stecken Sie also Bargeld ein, denn es gibt Dinge, die das italienische Gesundheitswesen einfach nicht leistet. (Richtgröße: ~ 50 Euro für eine Keramikfüllung, je nach Zahnarzt).

Bestimmt werden Ihnen in Italien mit der Zeit auch Leute mit großen Zahnlücken auffallen. U.a. erkennt man daran, was das Gesundheitssystem nicht bietet. Weshalb viele Italiener, gerade im Norden, es vorziehen, nach Kroatien oder Istrien zum Zahnarzt zu fahren. Und natürlich ist es nicht so, dass Sie sich irgendeinen Zahnarzt aussuchen können (sofern die Kasse zahlen soll), sondern es ist Ihnen einer zugewiesen, je nachdem, in welchem Stadtteil Sie wohnen.

Jedenfalls sind Sie nicht schlecht beraten, sofern Sie immer noch auswandern wollen, einen Ort zu suchen, der nicht allzu weit von Deutschland oder Österreich entfernt ist, so dass man sich in Notfällen dort schnell behandeln lassen kann. Non si sa mai.

Tricksen, tarnen, täuschen.

Wenn Sie sich in Italien selbständig machen wollen, machen Sie sich auf etwas gefasst. Rechnen Sie mit langfristigen Zahlungszielen, und das nicht nur bei Firmen und Privatpersonen. Selbst staatliche Stellen haben es nicht besonders eilig, Rechnungen zu bezahlen. Zahlungsziele wie etwa Monatsende + 90 Tage sind auch bei offiziellen Institutionen an der Tagesordnung. Wobei es Ihnen durchaus auch passieren kann, dass sich einen Tag vor Ablauf der 90 Tage jemand bei Ihnen meldet und die Rechnung formal beanstandet, woraufhin die Rechnung neu geschrieben werden muss. Also wieder Monatsende + 90 Tage.

Oder auch: Der Kunde zahlt nicht, Sie stellen Ihre Dienstleistung ein. Der Kunde verspricht bei der Ehre seiner Großmutter, dass er zahlen würde, und schickt Ihnen als Beleg ein Fax mit der Bankanweisung (schlecht lesbar weil auf farbigen Papier). Nun machen Sie sich daran, das schlecht Leserliche mit einem Grafikprogramm besser lesbar zu machen. Und dann fällt Ihnen folgendes kleines Feld auf: Zahlung terminiert in zwei Monaten.

Was auch immer Sie in Italien tun oder lassen werden: Rechnen Sie mit der Kreativität der Italiener. Bitte verwechseln Sie dies nicht mit Böswilligkeit. Vielmehr ist es oftmals einfach nur eine Art Notwehr-Reflex, den man sich in Italien auf lange Sicht besser zulegt.

Wie es in so vielen Filmen immer so schön heißt, und das nicht ohne Grund: Caro, es ist nichts Persönliches...

 

Und das ist es auch wirklich nicht. Bitte verstehen Sie das Beschriebene nicht als moralische Wertung! Gewöhnen Sie sich einfach an den Gedanken, dass in Italien das Wort bzw. ein Versprechen einfach nicht dasselbe gilt wie z.B. in Deutschland oder Österreich. Das gegebene Wort zählt tendenziell eher wenig. Und dies ist auch etwas, Stichwort "Handschlagsqualität", was die Italiener an Deutschen und Österreichern besonders schätzen, eben weil sie es nicht haben. Wie gesagt, nehmen Sie es nicht persönlich, denn dieser Umstand ist einfach kulturell bedingt. Und sie treffen ihn an, sobald Sie die mental-kulturelle Grenze des Brenner überquert haben.

Diesen Umstand falsch einzuschätzen bzw. nicht zu kennen ist einer der Hauptgründe, warum Einwanderer von der nördlichen Seite der Alpen in Italien geschäftlich scheitern.

Eines wie keines.

Nach all den beschriebenen Klippen, Ecken und Kanten ist Italien doch ein Land, in dem Leben Spaß macht. Gerade der Kontakt zu den ausgesprochen liebenswürdigen Menschen ist etwas, was man in dieser Form ansonsten nirgends findet.

So passiert es Ihnen wirklich nirgends, dass der Wirt Ihrer Stammbar zwar Urlaub macht, Sie aber dennoch mit einer selbstgemachten Salami und einer Kiste Wein zuhause aufsucht. Weil es ja sein könnte, dass Sie traurig sind, da Ihre Stammbar geschlossen hat, und Sie sie vermissen. Und das würde der Wirt natürlich keinesfalls wollen. Darum bringt er Ihnen Salami und Wein.

Dinge wie diese passieren einem wirklich nirgends, außer in Italien.

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